Stellungnahme anlässlich der geplanten „Querdenken“-Aktionen am 09.11.2020:

Liebe Schüler*innen, liebe Eltern, liebe Kolleg*innen,

das Anliegen, mit dem ich mich heute an Sie wenden muss, ist uns nicht neu; insofern darf ich in diesem Zusammenhang an die Diskussionen im Sibi anlässlich der „Fridays for Future“-Demonstrationen im letzten Schuljahr sowie an meine damalige Stellungnahme erinnern.

Damals wurde von vielen Sibi-Schüler*innen das Anliegen an mich herangetragen, ich möge die Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Rettung unseres Planeten als Schulleiterin unterstützen und Schüler*innen für die Teilnahme an den „Fridays for Future“-Demonstrationen beurlauben. Heute ist das Anliegen ein anderes, aber meine Antwort als Schulleiterin ist immer dieselbe; denn für mich als Schulleiterin gilt prinzipiell das Gebot der politischen Neutralität und Unparteilichkeit.

Dieses Gebot der politischen Neutralität empfinde ich persönlich als eine der wesentlichsten Voraussetzungen für ein friedliches schulisches Miteinander in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft. Freiheit in einer Demokratie ist die Freiheit der anders Denkenden; und Demokratie ist nicht umsonst zu haben, sondern beruht auf praktizierter Toleranz (von lat.: tolerare – erleiden, ertragen). Das Erleiden der (vermeintlich?) falschen Meinung des jeweils Andersdenkenden und das Ertragen der (vermeintlichen?) Unvernunft der Nächsten ist immer belastend – und ganz besonders in „Schule in Zeiten von Corona“.

Jetzt zur aktuellen Situation:

Ich bin vom Ministerium für Schule und Bildung darüber informiert worden, dass die Initiative „Querdenken 711“ am 9. November Aktionen gegen die Pflicht zum Tragen der Mund-Nase-Bedeckung durchführen wolle, und in Reaktion auf diese Ankündigung will ich als Schulleiterin präventiv in folgender Weise reagieren:

Anlässlich der für den 9.11.2020 geplanten Aktionen will ich darauf hinweisen, dass die Teilnahme an derartigen Aktionen mit erzieherischen Einwirkungen und Ordnungsmaßnahmen gemäß § 53 Schulgesetz NRW geahndet werden kann. Dies gilt ausdrücklich auch für außerschulische Aktionen, sofern das gezeigte außerschulische Verhalten der Schüler*innen die Ausübung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule behindert oder den Schulfrieden beeinträchtigt. Eine solche Beeinträchtigung des Schulfriedens kann gegeben sein, wenn z.B. Schüler*innen zu Verstößen gegen die Coronabetreuungsverordnung aufrufen würden.

Ich möchte ausdrücklich daran erinnern, dass sich die Schulkonferenz, das schuldemokratisch gewählte höchste Gremien der Schule, bereits am 29.10.2020 einstimmig – im Sinne gegenseitiger Verantwortung und Rücksichtnahme - für das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes ausgesprochen hatte.

Ich persönlich, als Gabriele Jacob, glaube an die Macht der Bildung: Ich wäre nicht Lehrerin geworden, wenn ich glauben würde, dass es in irgendeiner Weise gut sein könnte, wenn Schulorganisation und Schulfrieden belastet würden und Schüler*innen deshalb weniger lernen würden.

Es heißt in §2 Schulgesetz NRW, die Schule solle erziehen u.a. im Geist der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen: Meine uneingeschränkt positiven Erfahrungen am Sibi rund um die „Fridays for Future“-Bewegung haben mich davon überzeugt, dass der Geist dieses Paragraphen am Sibi zur gelebten Schulkultur gehört und der 9.11.2020 in diesem Geist verlaufen wird.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Gabriele Jacob